Weitere Weisheiten des Predigers (Kapitel 7–9)

Was ist gut?

»Ein guter Ruf ist mehr wert als kostbares Parfüm[a]«, heißt es, und ich sage: Der Tag des Todes ist besser als der Tag der Geburt.

Geh lieber in ein Haus, wo man trauert, als dorthin, wo gefeiert wird. Denn im Trauerhaus wird man daran erinnert, dass der Tod auf jeden Menschen wartet. Wer noch lebt, sollte sich dies zu Herzen nehmen! Kummer ist besser als Lachen, Trauer verändert den Menschen zum Guten. Der Weise geht dorthin, wo man trauert, aber der Unverständige hat nichts anderes im Sinn, als sich zu vergnügen.

Man hat mehr davon, auf die Zurechtweisung eines verständigen Menschen zu achten, als sich die Loblieder von Dummköpfen anzuhören! Denn wie ein Strohfeuer auflodert und schnell wieder verlischt, so vergeht alles törichte Gelächter – es bleibt ohne Bedeutung.

Wenn ein Verständiger sich unter Druck setzen lässt, wird er zum Narren; wer Bestechungsgeschenke annimmt, lässt sich den Verstand vernebeln.

Das Ende einer Sache ist besser als ihr Anfang; Geduld zu haben, bringt weiter als Überheblichkeit.

Werde nicht schnell zornig, denn nur ein Dummkopf braust leicht auf.

10 Frag nicht: »Warum war früher alles besser?« Damit zeigst du nur, wie wenig Weisheit du besitzt.

11 Weisheit ist so wertvoll wie ein reiches Erbe, sie ist für jeden Menschen auf dieser Welt ein Gewinn. 12 Sie bietet so viel Sicherheit wie Geld, ja, sie schenkt sogar noch mehr: Wer die Weisheit besitzt, den erhält sie am Leben.

13 Halte dir vor Augen, was Gott tut! Wer kann gerade machen, was er gekrümmt hat?

14 Wenn es dir gut geht, dann freu dich über dein Glück, und wenn es dir schlecht geht, dann bedenke: Gott schickt dir beides, und du weißt nie, was die Zukunft bringen wird.

Vermeide die Extreme!

15 In meinem vergänglichen Leben habe ich viel gesehen: Manch einer richtet sich nach Gottes Geboten und kommt trotzdem um; ein anderer will von Gott nichts wissen, aber er genießt ein langes Leben. 16 Sei nicht allzu fromm und übertreib es nicht mit deiner Weisheit! Warum willst du dich selbst zugrunde richten? 17 Sei aber auch nicht gewissenlos und unvernünftig! Warum willst du sterben, bevor deine Zeit gekommen ist? 18 Es ist gut, wenn du dich an beides hältst und die Extreme vermeidest. Wer Ehrfurcht vor Gott hat, der findet den richtigen Weg.

19 Weisheit beschützt einen Menschen mehr, als zehn Machthaber einer Stadt ihm helfen können. 20 Doch es ist kein Mensch auf der Erde so gottesfürchtig, dass er nur Gutes tut und niemals sündigt.

21 Hör nicht auf das Geschwätz der Leute; dann hörst du auch nicht, wie dein Untergebener über dich lästert! 22 Du weißt genau, dass auch du schon oft über andere hergezogen bist.

Wer ist weise?

23 Ich habe versucht, dies alles mit meiner Weisheit zu erforschen; ich wollte Einsicht erlangen, aber sie blieb mir unerreichbar fern. 24 Was geschieht, kann man nicht ergründen – es ist tief verborgen und nicht zu verstehen. 25 Trotzdem bemühte ich mich mit aller Kraft, Weisheit zu erlangen und den Dingen auf den Grund zu gehen. Ich wollte wissen, ob Gottlosigkeit auf Unwissenheit beruht und ob mangelnde Einsicht mit Verblendung zusammenhängt.

26 Dabei habe ich gemerkt: Etwas ist noch schlimmer als der Tod, nämlich jene Frau, die einem Fangseil gleicht, deren Liebe dich einfängt wie ein Netz und deren Arme dich umschließen wie Fesseln. Ein Mann, der Gott gefällt, kann sich vor ihr retten, aber der Gottlose wird von ihr gefangen.

27 Ja, sagt der Prediger, das habe ich nach und nach herausgefunden, während ich nach Antworten suchte. 28 Doch worum ich mich die ganze Zeit mühte, habe ich immer noch nicht gefunden. Unter tausend Menschen fand ich nur einen Mann, dem ich mein Vertrauen schenken konnte, aber keine Frau.

29 Nur dieses eine habe ich gelernt: Gott hat die Menschen aufrichtig und wahrhaftig geschaffen, jetzt aber sind sie falsch und berechnend.

Wen kann man zu den Weisen zählen? Wer versteht es, das Leben richtig zu deuten? Ein weiser Mensch hat ein freundliches Gesicht, alle Härte ist daraus verschwunden.

Die Macht der Herrscher

Ich rate dir: Gehorch den Befehlen des Königs, denn du hast ihm vor Gott die Treue geschworen. Hüte dich davor, ihm abtrünnig zu werden, und lass dich nicht auf Intrigen ein, denn der König setzt ja doch alles durch, was ihm gefällt. Seine Worte haben Macht, niemand kann ihn zur Rede stellen und fragen: »Was tust du da?« Weise ist, wer den Befehlen des Königs gehorcht und nichts gegen ihn unternimmt. Ein solcher Mensch weiß, wann und wie er handeln muss[b].

Denn alles hat seine Zeit, und für jede Situation gibt es ein entsprechendes Verhalten[c]. Doch auf dem Menschen lastet eine schwere Not: Er weiß nicht, was auf ihn zukommt, und niemand kann ihm sagen, was die Zukunft bringt. So wie er keine Macht über den Wind besitzt und ihn nicht aufhalten kann, so kann er auch nicht den Tag seines Todes aufhalten. Ein Soldat wird niemals mitten im Krieg vom Dienst befreit, und keine böse Tat kann einen Menschen retten, wenn seine Stunde geschlagen hat.

Dies alles habe ich begriffen, als ich beobachtete, was auf dieser Welt geschieht – einer Welt, in der einige Menschen Macht besitzen und die anderen darunter leiden müssen.

Das Unrecht in der Welt

10 Ich habe gesehen, wie Menschen, die von Gott nichts wissen wollten, in Ehren begraben wurden, während man andere, die Gott gehorchten, aus der Nähe des Heiligtums vertrieb und sie vergaß in der Stadt. Das ist doch unsinnig!

11 Die Verbrecher werden nicht schnell genug bestraft, und das verführt die Leute umso mehr dazu, Böses zu tun. 12 Manch einer hat schon hundert Verbrechen begangen und kann trotzdem ein langes Leben genießen!

Ja, auch ich weiß: »Wer Gott ehrt und ihm gehorcht, dem geht es gut. 13 Wer Gott missachtet, muss die Folgen tragen: Sein Leben schwindet so schnell wie ein Schatten, weil er keine Ehrfurcht hat vor Gott.« 14 Und trotzdem geschieht so vieles auf der Welt, das keinen Sinn ergibt: Da geht es rechtschaffenen Menschen so schlecht, wie es den Gottlosen gehen sollte. Und da haben Gottlose ein so schönes Leben, als hätten sie Gottes Gebote befolgt. Das kommt mir alles so sinnlos vor!

15 Darum empfehle ich allen, das Leben zu genießen, denn es gibt für den Menschen nichts Besseres auf der Welt, als zu essen und zu trinken und fröhlich zu sein. Das wird ihn bei seiner Mühe begleiten das kurze Leben hindurch, das Gott ihm gegeben hat.

Was Gott tut, ist unbegreiflich!

16-17 Ich bemühte mich, die Weisheit kennen zu lernen und das Tun und Treiben auf dieser Welt zu verstehen. Doch ich musste einsehen: Was Gott tut und auf der Welt geschehen lässt, kann der Mensch nicht vollständig begreifen, selbst wenn er sich Tag und Nacht keinen Schlaf gönnt. So sehr er sich auch anstrengt, alles zu erforschen, er wird es nicht ergründen! Und wenn ein weiser Mensch behauptet, er könne das alles verstehen, dann irrt er sich!

Über dies alles habe ich nachgedacht, und ich habe erkannt: Auch der Rechtschaffene und Verständige ist bei allem, was er tut, von Gott abhängig. Der Mensch versteht nicht einmal, warum er liebt oder hasst; erst recht weiß er nicht, was auf ihn zukommt! Am Ende trifft sie alle ein und dasselbe Schicksal, ob sie nun Gott gehorchen oder ihn missachten, ob sie Gutes tun und sich an die Reinheitsgebote halten oder nicht, ob sie Gott Opfer bringen oder es sein lassen. Dem Guten ergeht es genauso wie dem Sünder, dem, der schwört, ebenso wie dem, der den Schwur scheut.

Es ist zum Verzweifeln, dass alle Menschen auf dieser Welt ein und dasselbe Schicksal erleiden! Ihr Leben lang sind sie verblendet, und ihr Herz ist voller Bosheit, bis sie schließlich sterben.

Wer lebt, hat noch Hoffnung, denn ein lebendiger Hund ist besser dran als ein toter Löwe! Die Lebenden wissen wenigstens, dass sie sterben werden, die Toten aber wissen gar nichts. Sie haben keinen Lohn mehr zu erwarten, man erinnert sich nicht einmal mehr an sie. Ihr Lieben, ihr Hassen, ihre Eifersucht – alles ist mit ihnen gestorben. Nie mehr werden sie beteiligt sein an dem, was auf der Welt geschieht.

Freu dich am Leben!

Also iss dein Brot, trink deinen Wein und sei fröhlich dabei! Denn Gott hat schon lange sein Ja dazu gegeben. Trag immer schöne Kleider[d] und salbe dein Gesicht mit duftenden Ölen! Genieße das Leben mit der Frau, die du liebst, solange du dein vergängliches Leben führst, das Gott dir auf dieser Welt gegeben hat. Genieße jeden flüchtigen Tag, denn das ist der Lohn für deine Mühen. 10 Wenn du etwas tust, dann sei mit vollem Einsatz bei der Sache! Denn im Totenreich, wohin auch du einmal gehen wirst, ist es vorbei mit allem Denken und Tun, dort gibt es weder Erkenntnis noch Weisheit.

Verkehrte Welt!

11 Ich habe beobachtet, wie es auf dieser Welt zugeht: Es sind nicht in jedem Fall die Schnellsten, die den Wettlauf gewinnen, oder die Stärksten, die den Krieg für sich entscheiden. Weisheit garantiert noch keinen Lebensunterhalt, Klugheit führt nicht immer zu Reichtum, und die Verständigen sind nicht unbedingt beliebt. Sie alle sind der Zeit und dem Zufall ausgeliefert. 12 Kein Mensch weiß, wann seine Zeit gekommen ist. Wie Fische sich plötzlich im Netz verfangen, wie Vögel in die Falle geraten, so enden auch die Menschen: Der Tod ereilt sie, wenn sie es am wenigsten erwarten.

13 Noch etwas habe ich beobachtet – ein gutes Beispiel dafür, wie die Weisheit auf dieser Welt beurteilt wird:[e]

14 Da war eine kleine Stadt mit wenig Einwohnern. Ein mächtiger König zog mit seinem Heer gegen sie aus, schloss sie ein und schüttete ringsum einen hohen Belagerungswall auf. 15 In der Stadt lebte ein armer Mann, der war sehr weise. Er hätte die Stadt durch seine Weisheit retten können, aber niemand dachte an ihn. 16 Da sagte ich mir: Zwar ist Weisheit wertvoller als Stärke, aber auf den Rat eines Armen sieht man bloß hinab; seine Worte beachtet man nicht. 17 Es ist besser, auf die bedächtigen Worte eines Weisen zu hören als auf das Geschrei eines Königs von Dummköpfen. 18 Weisheit bewirkt mehr als Waffen, aber ein Einziger, der Böses tut, kann viel Gutes zerstören.

Footnotes

  1. 7,1 Wörtlich: als gutes (Salb-)Öl. – Vgl. »salben/Salbung« in den Sacherklärungen.
  2. 8,5 Oder: weiß, dass zu gegebener Zeit das Gericht kommt.
  3. 8,6 Oder: und über jede Sache wird einmal das Urteil gesprochen.
  4. 9,8 Wörtlich: weiße Kleider.
  5. 9,13 Wörtlich: Auch dieses sah ich als Weisheit unter der Sonne, und es kam mir bedeutsam vor.