Beginning
Das Zorngericht kommt über Jerusalem
9 Und er rief mir mit lauter Stimme in die Ohren und sprach: Kommt herbei, ihr Aufseher über die Stadt! Jeder nehme seine Zerstörungswaffe in die Hand!
2 Und siehe, da kamen sechs Männer auf dem Weg vom oberen Tor her, das nach Norden schaut, und jeder hatte seine Waffe zum Zerschlagen in der Hand; in ihrer Mitte aber war ein Mann, der trug ein leinenes Gewand und hatte ein Schreibzeug an seiner Hüfte; diese gingen hinein und stellten sich neben den ehernen Altar.
3 Da erhob sich die Herrlichkeit des Gottes Israels von dem Cherub, über dem sie gewesen war, hin zur Schwelle des Hauses; und er rief dem Mann zu, der das leinene Gewand trug und das Schreibzeug an der Hüfte hatte.
4 Und der Herr sprach zu ihm: Geh mitten durch die Stadt, mitten durch Jerusalem und mache ein Zeichen[a] auf die Stirn der Leute, die seufzen und jammern über all die Gräuel, die in ihrer Mitte verübt werden!
5 Zu den anderen aber sprach er vor meinen Ohren: Geht hinter ihm her durch die Stadt und erwürgt; euer Auge soll nicht verschonen, und ihr dürft euch nicht erbarmen.
6 Tötet, vernichtet Greise, junge Männer und Jungfrauen, Kinder und Frauen! Von denen aber, die das Zeichen tragen, rührt niemand an! Und bei meinem Heiligtum sollt ihr anfangen! Da fingen sie bei den Ältesten an, die vor dem Tempel waren.
7 Und er sprach zu ihnen: Verunreinigt das Haus und füllt die Vorhöfe mit Erschlagenen! Geht hinaus! Da gingen sie hinaus und erwürgten in der Stadt.
8 Und es geschah, als sie so würgten und [nur] ich noch übrig war, da fiel ich auf mein Angesicht, schrie und sprach: Ach, Herr, Herr, willst du in deinem Zorn, den du über Jerusalem ausgießt, den ganzen Überrest von Israel umbringen?
9 Da antwortete er mir: Die Sünde des Hauses Israel und Juda ist überaus groß! Das Land ist voll Blut und die Stadt voll Unrecht[b]; denn sie sagen: »Der Herr hat das Land verlassen!« und »Der Herr sieht es nicht!«
10 So soll auch mein Auge sie nicht verschonen, und ich will mich nicht erbarmen, sondern ihren Wandel will ich auf ihren Kopf bringen!
11 Und siehe, der Mann, der das leinene Gewand trug und das Schreibzeug an seiner Hüfte hatte, brachte eine Meldung und sprach: Ich habe getan, wie du mir befohlen hast!
Die Herrlichkeit des Herrn verlässt den Tempel
10 Und ich schaute, und siehe, auf der [Himmels-]Ausdehnung[c], die über dem Haupt der Cherubim war, befand sich etwas wie ein Saphirstein; etwas, das wie das Gebilde eines Thrones aussah, erschien über ihnen.
2 Und er redete mit dem Mann, der das leinene Gewand trug, und sagte: Geh hinein zwischen das Räderwerk[d] unter dem Cherub und fülle deine Hände mit glühenden Kohlen, die zwischen den Cherubim sind, und streue sie über die Stadt! Da ging er vor meinen Augen hinein.
3 Und die Cherubim standen auf der rechten Seite des Hauses, als der Mann hineinging; die Wolke aber erfüllte den inneren Vorhof.
4 Da erhob sich die Herrlichkeit des Herrn von dem Cherub zur Schwelle des Hauses hin, und der Tempel wurde von der Wolke erfüllt, und der Vorhof war voll vom Glanz der Herrlichkeit des Herrn.
5 Und man hörte das Rauschen der Flügel der Cherubim bis in den äußeren Vorhof, gleich der Stimme Gottes, des Allmächtigen, wenn er redet.
6 Und es geschah, als er dem Mann, der das leinene Gewand trug, gebot und sprach: Hole Feuer [aus dem Raum] zwischen dem Räderwerk, zwischen den Cherubim!, da ging dieser hinein und trat neben das Rad.
7 Da streckte ein Cherub seine Hand zwischen die Cherubim, nach dem Feuer, das zwischen den Cherubim war, und nahm davon und gab es dem, der das leinene Gewand trug, in die Hände; der nahm es und ging hinaus.
8 Und es wurde an den Cherubim etwas wie eine Menschenhand unter ihren Flügeln sichtbar.
9 Und ich schaute, und siehe, da waren vier Räder bei den Cherubim; ein Rad bei dem einen Cherub und das andere Rad bei dem anderen Cherub; die Räder aber waren anzusehen wie der Glanz eines Chrysolithsteins.
10 Dem Ansehen nach waren sie alle vier von ein und derselben Gestalt, als wäre ein Rad mitten in dem anderen.
11 Wenn sie gingen, so gingen sie nach ihren vier Seiten; keines wandte sich um, wenn es ging; sondern wohin sich das Haupt wandte, dahin gingen sie, ihm nach, und sie wandten sich nicht um im Gehen.
12 Ihr ganzer Leib und ihr Rücken und ihre Hände und ihre Flügel, auch die Räder waren alle ringsum voller Augen; alle vier hatten ihre Räder.
13 Und ihre Räder, sie nannte er vor meinen Ohren »Räderwerk«.
14 Aber jeder einzelne [Cherub] hatte vier Gesichter; das erste war das Gesicht eines Cherubs, das zweite das Gesicht eines Menschen, das dritte das Gesicht eines Löwen und das vierte das Gesicht eines Adlers.
15 Und die Cherubim erhoben sich. Es war das lebendige Wesen, das ich am Fluss Kebar gesehen hatte.
16 Wenn nun die Cherubim gingen, so gingen auch die Räder neben ihnen mit; und wenn die Cherubim ihre Flügel schwangen, um sich von der Erde emporzuheben, so wandten sich auch die Räder nicht von ihrer Seite.
17 Wenn jene stillstanden, so standen auch diese still; wenn jene sich emporhoben, so erhoben sich auch die Räder mit ihnen; denn der Geist des lebendigen Wesens war in ihnen.
18 Und die Herrlichkeit des Herrn ging von der Schwelle des Tempels hinweg und stellte sich über die Cherubim.
19 Da schwangen die Cherubim ihre Flügel und erhoben sich von der Erde vor meinen Augen, als sie hinausgingen, auch die Räder, die mit ihnen vereint waren. Aber beim Eingang des östlichen Tores am Haus des Herrn blieben sie stehen, und oben über ihnen war die Herrlichkeit des Gottes Israels.
20 Es war das lebendige Wesen, das ich am Fluss Kebar unter dem Gott Israels gesehen hatte; und ich erkannte, dass es Cherubim waren.
21 Jeder hatte vier Gesichter und jeder vier Flügel, und etwas wie Menschenhände war unter ihren Flügeln.
22 Was aber die Gestalt ihrer Gesichter betrifft, so waren es die gleichen Gesichter, die ich am Fluss Kebar gesehen hatte, ihre Erscheinung und sie selbst. Jeder ging gerade vor sich hin.
Gericht über die Obersten des Volkes
11 Und der Geist hob mich empor und führte mich zum östlichen Tor des Hauses des Herrn, das nach Osten sieht. Und siehe, 25 Männer waren am Eingang des Tores, unter denen ich Jaasanja, den Sohn Assurs, und Pelatja, den Sohn Benajas, die Obersten des Volkes, erblickte.
2 Und er sprach zu mir: Menschensohn, das sind die Leute, die auf Unheil sinnen und bösen Rat erteilen in dieser Stadt!
3 Sie sagen: »Wird man nicht bald wieder Häuser bauen? Sie[e] ist der Topf und wir das Fleisch!«
4 Darum sollst du gegen sie weissagen! Weissage, Menschensohn!
5 Und der Geist des Herrn fiel auf mich und sprach zu mir: Sage: So spricht der Herr: Ihr, das Haus Israel, redet so; und was in eurem Geist aufsteigt, weiß ich wohl!
6 Ihr habt viele in dieser Stadt umgebracht und habt ihre Gassen mit Erschlagenen gefüllt.
7 Darum, so spricht Gott, der Herr: Eure Erschlagenen, die ihr in [Jerusalem] hingestreckt habt, sind das Fleisch, und [Jerusalem] ist der Topf; euch aber wird man aus ihm hinausführen!
8 Ihr fürchtet das Schwert, aber das Schwert will ich über euch bringen!, spricht Gott, der Herr.
9 Ich will euch aus [Jerusalems] Mitte hinausführen und euch an Fremde ausliefern und das Urteil an euch vollstrecken.
10 Ihr sollt durchs Schwert fallen; auf dem Gebiet Israels[f] will ich euch richten, und ihr sollt erkennen, dass ich der Herr bin!
11 Diese [Stadt] wird nicht euer Topf sein, und ihr werdet nicht das Fleisch darin sein, sondern ich will euch richten auf dem Gebiet Israels!
12 Und ihr sollt erkennen, dass ich der Herr bin, in dessen Satzungen ihr nicht gewandelt und dessen Rechtsbestimmungen ihr nicht gehalten habt; sondern nach den Bräuchen der Heidenvölker, die um euch her sind, habt ihr gehandelt.
13 Und es geschah, während ich weissagte, da starb Pelatja, der Sohn Benajas. Und ich fiel nieder auf mein Angesicht und schrie mit lauter Stimme und sprach: Ach, Herr, Herr, willst du den Überrest Israels gänzlich aufreiben?
Verheißung der Rückkehr Israels aus der Zerstreuung
14 Da erging das Wort des Herrn an mich folgendermaßen:
15 Menschensohn, deine Brüder, ja, deine Brüder, deine Verwandten und das ganze Haus Israel, sie alle sind es, von denen die Einwohner Jerusalems sagen: »Sie sind fern vom Herrn; uns aber ist dieses Land zum Besitztum gegeben!«
16 Darum sollst du zu ihnen sagen: So spricht Gott, der Herr: Ich habe sie wohl in die Ferne unter die Heidenvölker gebracht und in die Länder zerstreut; aber ich bin ihnen doch für eine kurze Zeit[g] zum Heiligtum geworden in den Ländern, in die sie gekommen sind.
17 Darum sprich: So spricht Gott, der Herr: Ich will euch aus den Völkern sammeln und euch aus den Ländern, in die ihr zerstreut worden seid, wieder zusammenbringen und euch das Land Israel wieder geben!
18 Und sie werden dahin kommen und alle seine Scheusale und seine Gräuel daraus entfernen.
19 Ich aber will ihnen ein einiges Herz geben, ja, ich will einen neuen Geist in euer Innerstes legen; und ich will das steinerne Herz aus ihrem Leib nehmen und ihnen ein fleischernes Herz geben,
20 damit sie in meinen Satzungen wandeln und meine Rechtsordnungen bewahren und sie tun; und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.
21 Denen aber, deren Herz ihren Gräueln und Scheusalen nachwandelt, will ich ihren Wandel auf ihren Kopf vergelten! spricht Gott, der Herr.
Die Herrlichkeit des Herrn weicht von Jerusalem
22 Danach hoben die Cherubim ihre Flügel empor, und die Räder [gingen] vereint mit ihnen, und die Herrlichkeit des Gottes Israels war oben über ihnen.
23 Und die Herrlichkeit des Herrn stieg auf, mitten aus der Stadt, und blieb stehen auf dem Berg, der östlich von der Stadt liegt.[h]
24 Mich aber nahm der Geist und führte mich im Gesicht, im Geist Gottes, wieder nach Chaldäa zu den Weggeführten; und die Erscheinung, die ich gesehen hatte, hob sich von mir hinweg.
25 Und ich redete zu den Weggeführten alle Worte des Herrn, die er mich hatte schauen lassen.
Hesekiel kündigt die Wegführung des Volkes an
12 Und das Wort des Herrn erging an mich folgendermaßen:
2 Menschensohn, du wohnst inmitten eines widerspenstigen Hauses, das Augen hat zum Sehen und doch nicht sieht, Ohren zum Hören und doch nicht hört; denn sie sind ein widerspenstiges Haus.
3 Darum, du Menschensohn, bereite dir die Sachen zum Fortziehen und zieh bei Tag vor ihren Augen fort! Vor ihren Augen sollst du von deinem Wohnort an einen anderen Ort ziehen; vielleicht werden sie es bemerken, denn sie sind ein widerspenstiges Haus.
4 Du sollst deine Sachen bei Tag vor ihren Augen heraustragen wie Sachen gepackt zum Auswandern; du aber sollst am Abend vor ihren Augen fortziehen, wie man auszieht, wenn man auswandern will!
5 Du sollst vor ihren Augen die Wand durchbrechen und [deine Sachen] durch sie hinaustragen.
6 Du sollst sie vor ihren Augen auf die Schulter nehmen und sie in der Finsternis hinaustragen. Verhülle aber dein Angesicht, damit du das Land nicht siehst; denn ich habe dich zu einem Wahrzeichen gemacht für das Haus Israel!
7 Da machte ich es so, wie mir befohlen war; meine Sachen brachte ich gepackt wie zum Auswandern bei Tag hinaus; und am Abend durchbrach ich mit der Hand die Wand; als es aber finster wurde, nahm ich sie auf meine Schulter und trug sie vor ihren Augen hinaus.
8 Aber am Morgen früh erging das Wort des Herrn an mich folgendermaßen:
9 Menschensohn, hat nicht das Haus Israel, das widerspenstige Haus, zu dir gesagt: »Was tust du da?«
10 Sage zu ihnen: So spricht Gott, der Herr: Diese Last[i] gilt dem Fürsten in Jerusalem und dem ganzen Haus Israel, in deren Mitte sie wohnen.
11 Sage: Ich bin für euch ein Wahrzeichen! Wie ich es gemacht habe, so soll es ihnen gehen! In die Verbannung, in die Gefangenschaft müssen sie wandern!
12 Und der Fürst, der in ihrer Mitte ist, wird seine Schulter beladen und sich im Finstern davonmachen. Man wird durch die Mauer brechen, um ihn da hinauszuführen; er wird sein Angesicht verhüllen, damit er mit seinen Augen das Land nicht ansehen muss.
13 Ich will auch mein Fanggarn über ihn ausspannen, und er wird in meinem Netz gefangen werden; und ich will ihn nach Babel führen, in das Land der Chaldäer; aber er wird es nicht sehen; und dort soll er sterben.
14 Und alles, was um ihn her ist, seine Helfer und seine Truppen, will ich in alle Winde zerstreuen und das Schwert hinter ihnen ziehen.
15 Dann werden sie erkennen, dass ich der Herr bin, wenn ich sie unter die Heidenvölker zerstreut und in die Länder verjagt habe.
16 Und ich will von ihnen einige Männer übrig lassen vom Schwert, vom Hunger und von der Pest, damit sie unter den Heiden, unter die sie kommen, alle ihre Gräuel erzählen; und sie sollen erkennen, dass ich der Herr bin!
17 Und das Wort des Herrn erging an mich folgendermaßen:
18 Menschensohn, du sollst dein Brot mit Zittern essen und dein Wasser mit Furcht und Sorgen trinken;
19 und du sollst zu dem Volk des Landes sagen: So spricht Gott, der Herr, von den Einwohnern Jerusalems im Land Israel: Sie müssen ihr Brot mit Sorgen essen und ihr Wasser mit Entsetzen trinken, weil ihr Land verödet wird, seiner Fülle beraubt wegen der Gewalttat aller derer, die darin wohnen.
20 Die bewohnten Städte sollen verwüstet werden und das Land öde, damit ihr erkennt, dass ich der Herr bin!
Der Herr tadelt die Spötter, die nicht an die Erfüllung der Weissagung glauben
21 Und das Wort des Herrn erging an mich folgendermaßen:
22 Menschensohn, was ist das für ein Sprichwort, das ihr im Land Israel gebraucht, indem ihr sagt: »Die Tage ziehen sich hinaus, und es wird nichts aus allen Offenbarungen[j]«?
23 Darum sprich zu ihnen: So spricht Gott, der Herr: Ich will diesem Sprichwort ein Ende machen, dass man es in Israel nicht mehr als Sprichwort gebrauchen wird! Du aber sprich zu ihnen: Die Tage sind nahe, und jedes Wort der Offenbarung [trifft bald ein]!
24 Denn es soll künftig kein lügenhaftes Gesicht und keine schmeichelhafte Wahrsagung mehr geben inmitten des Hauses Israel.
25 Denn ich, der Herr, ich rede; das Wort, das ich rede, das soll auch geschehen und nicht weiter hinausgezögert werden. Ja, ich will in euren Tagen, du widerspenstiges Haus, ein Wort reden und es auch vollbringen!, spricht Gott, der Herr.
26 Weiter erging das Wort des Herrn an mich folgendermaßen:
27 Menschensohn, siehe, das Haus Israel spricht: »Das Gesicht, das er gesehen hat, erfüllt sich erst in vielen Tagen, und er weissagt von fernen Zeiten!«
28 Darum sage zu ihnen: So spricht Gott, der Herr: Keines meiner Worte soll mehr hinausgezögert werden; das Wort, das ich gesprochen habe, soll auch geschehen!, spricht Gott, der Herr.
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