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11 Da antwortete Zophar von Naema und sprach:

Wenn einer lang geredet, muß er nicht auch hören? Muß denn ein Schwätzer immer recht haben?

Müssen die Leute zu deinem eitlen Geschwätz schweigen, daß du spottest und niemand dich beschäme?

Du sprichst: Meine Rede ist rein, und lauter bin ich vor deinen Augen.

Ach, daß Gott mit dir redete und täte seine Lippen auf

und zeigte dir die heimliche Weisheit! Denn er hätte noch wohl mehr an dir zu tun, auf daß du wissest, daß er deiner Sünden nicht aller gedenkt.

Meinst du, daß du wissest, was Gott weiß, und wollest es so vollkommen treffen wie der Allmächtige?

Es ist höher denn der Himmel; was willst du tun? tiefer denn die Hölle; was kannst du wissen?

länger denn die Erde und breiter denn das Meer.

10 So er daherfährt und gefangen legt und Gericht hält, wer will's ihm wehren?

11 Denn er kennt die losen Leute, er sieht die Untugend, und sollte es nicht merken?

12 Ein unnützer Mann bläht sich, und ein geborener Mensch will sein wie ein junges Wild.

13 Wenn du dein Herz richtetest und deine Hände zu ihm ausbreitetest;

14 wenn du die Untugend, die in deiner Hand ist, fern von dir tätest, daß in deiner Hütte kein Unrecht bliebe:

15 so möchtest du dein Antlitz aufheben ohne Tadel und würdest fest sein und dich nicht fürchten.

16 Dann würdest du der Mühsal vergessen und so wenig gedenken als des Wassers, das vorübergeht;

17 und die Zeit deines Lebens würde aufgehen wie der Mittag, und das Finstere würde ein lichter Morgen werden;

18 und dürftest dich dessen trösten, daß Hoffnung da sei; würdest dich umsehen und in Sicherheit schlafen legen;

19 würdest ruhen, und niemand würde dich aufschrecken; und viele würden vor dir flehen.

20 Aber die Augen der Gottlosen werden verschmachten, und sie werden nicht entrinnen können; denn Hoffnung wird ihrer Seele fehlen.

12 Da antwortete Hiob und sprach:

Ja, ihr seid die Leute, mit euch wird die Weisheit sterben!

Ich habe so wohl ein Herz als ihr und bin nicht geringer denn ihr; und wer ist, der solches nicht wisse?

Ich muß von meinem Nächsten verlacht sein, der ich Gott anrief, und er erhörte mich. Der Gerechte und Fromme muß verlacht sein

und ist ein verachtet Lichtlein vor den Gedanken der Stolzen, steht aber, daß sie sich daran ärgern.

Der Verstörer Hütten haben die Fülle, und Ruhe haben, die wider Gott toben, die ihren Gott in der Faust führen.

Frage doch das Vieh, das wird dich's lehren und die Vögel unter dem Himmel, die werden dir's sagen;

oder rede mit der Erde, die wird dich's lehren, und die Fische im Meer werden dir's erzählen.

Wer erkennte nicht an dem allem, daß des HERRN Hand solches gemacht hat?

10 daß in seiner Hand ist die Seele alles dessen, was da lebt, und der Geist des Fleisches aller Menschen?

11 Prüft nicht das Ohr die Rede? und der Mund schmeckt die Speise?

12 Ja, "bei den Großvätern ist die Weisheit, und der Verstand bei den Alten".

13 Bei ihm ist Weisheit und Gewalt, Rat und Verstand.

14 Siehe, wenn er zerbricht, so hilft kein Bauen; wenn er jemand einschließt, kann niemand aufmachen.

15 Siehe, wenn er das Wasser verschließt, so wird alles dürr; und wenn er's ausläßt, so kehrt es das Land um.

16 Er ist stark und führt es aus. Sein ist, der da irrt und der da verführt.

17 Er führt die Klugen wie einen Raub und macht die Richter toll.

18 Er löst auf der Könige Zwang und bindet mit einem Gurt ihre Lenden.

19 Er führt die Priester wie einen Raub und bringt zu Fall die Festen.

20 Er entzieht die Sprache den Bewährten und nimmt weg den Verstand der Alten.

21 Er schüttet Verachtung auf die Fürsten und macht den Gürtel der Gewaltigen los.

22 Er öffnet die finsteren Gründe und bringt heraus das Dunkel an das Licht.

23 Er macht etliche zu großem Volk und bringt sie wieder um. Er breitet ein Volk aus und treibt es wieder weg.

24 Er nimmt weg den Mut der Obersten des Volkes im Lande und macht sie irre auf einem Umwege, da kein Weg ist,

25 daß sie in Finsternis tappen ohne Licht; und macht sie irre wie die Trunkenen.

13 Siehe, das alles hat mein Auge gesehen und mein Ohr gehört, und ich habe es verstanden.

Was ihr wißt, das weiß ich auch; und bin nicht geringer denn ihr.

Doch wollte ich gern zu dem Allmächtigen reden und wollte gern mit Gott rechten.

Aber ihr deutet's fälschlich und seid alle unnütze Ärzte.

Wollte Gott, ihr schwieget, so wäret ihr weise.

Höret doch meine Verantwortung und merket auf die Sache, davon ich rede!

Wollt ihr Gott verteidigen mit Unrecht und für ihn List brauchen?

Wollt ihr seine Person ansehen? Wollt ihr Gott vertreten?

Wird's euch auch wohl gehen, wenn er euch richten wird? Meint ihr, daß ihr ihn täuschen werdet, wie man einen Menschen täuscht?

10 Er wird euch strafen, wo ihr heimlich Person ansehet.

11 Wird er euch nicht erschrecken, wenn er sich wird hervortun, und wird seine Furcht nicht über euch fallen?

12 Eure Denksprüche sind Aschensprüche; eure Bollwerke werden wie Lehmhaufen sein.

13 Schweiget mir, daß ich rede, es komme über mich, was da will.

14 Was soll ich mein Fleisch mit meinen Zähnen davontragen und meine Seele in meine Hände legen?

15 Siehe, er wird mich doch erwürgen, und ich habe nichts zu hoffen; doch will ich meine Wege vor ihm verantworten.

16 Er wird ja mein Heil sein; denn es kommt kein Heuchler vor ihn.

17 Höret meine Rede, und meine Auslegung gehe ein zu euren Ohren.

18 Siehe, ich bin zum Rechtsstreit gerüstet; ich weiß, daß ich recht behalten werde.

19 Wer ist, der mit mir rechten könnte? Denn dann wollte ich schweigen und verscheiden.

20 Zweierlei tue mir nur nicht, so will ich mich vor dir nicht verbergen:

21 laß deine Hand fern von mir sein, und dein Schrecken erschrecke mich nicht!

22 Dann rufe, ich will antworten, oder ich will reden, antworte du mir!

23 Wie viel ist meiner Missetaten und Sünden? Laß mich wissen meine Übertretung und Sünde.

24 Warum verbirgst du dein Antlitz und hältst mich für deinen Feind?

25 Willst du wider ein fliegend Blatt so ernst sein und einen dürren Halm verfolgen?

26 Denn du schreibst mir Betrübnis an und willst über mich bringen die Sünden meiner Jugend.

27 Du hast meinen Fuß in den Stock gelegt und hast acht auf alle meine Pfade und siehst auf die Fußtapfen meiner Füße,

28 der ich doch wie Moder vergehe und wie ein Kleid, das die Motten fressen.

14 Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe,

geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.

Und du tust deine Augen über einen solchen auf, daß du mich vor dir ins Gericht ziehest.

Kann wohl ein Reiner kommen von den Unreinen? Auch nicht einer.

Er hat seine bestimmte Zeit, die Zahl seiner Monden steht bei dir; du hast ein Ziel gesetzt, das wird er nicht überschreiten.

So tu dich von ihm, daß er Ruhe habe, bis daß seine Zeit komme, deren er wie ein Tagelöhner wartet.

Ein Baum hat Hoffnung, wenn er schon abgehauen ist, daß er sich wieder erneue, und seine Schößlinge hören nicht auf.

Ob seine Wurzel in der Erde veraltet und sein Stamm im Staub erstirbt,

so grünt er doch wieder vom Geruch des Wassers und wächst daher, als wäre er erst gepflanzt.

10 Aber der Mensch stirbt und ist dahin; er verscheidet, und wo ist er?

11 Wie ein Wasser ausläuft aus dem See, und wie ein Strom versiegt und vertrocknet,

12 so ist ein Mensch, wenn er sich legt, und wird nicht aufstehen und wird nicht aufwachen, solange der Himmel bleibt, noch von seinem Schlaf erweckt werden.

13 Ach daß du mich in der Hölle verdecktest und verbärgest, bis dein Zorn sich lege, und setztest mir ein Ziel, daß du an mich dächtest.

14 Wird ein toter Mensch wieder leben? Alle Tage meines Streites wollte ich harren, bis daß meine Veränderung komme!

15 Du würdest rufen und ich dir antworten; es würde dich verlangen nach dem Werk deiner Hände.

16 Jetzt aber zählst du meine Gänge. Hast du nicht acht auf meine Sünden?

17 Du hast meine Übertretungen in ein Bündlein versiegelt und meine Missetat zusammengefaßt.

18 Zerfällt doch ein Berg und vergeht, und ein Fels wird von seinem Ort versetzt;

19 Wasser wäscht Steine weg, und seine Fluten flößen die Erde weg: aber des Menschen Hoffnung ist verloren;

20 denn du stößest ihn gar um, daß er dahinfährt, veränderst sein Wesen und lässest ihn fahren.

21 Sind seine Kinder in Ehren, das weiß er nicht; oder ob sie gering sind, des wird er nicht gewahr.

22 Nur sein eigen Fleisch macht ihm Schmerzen, und seine Seele ist ihm voll Leides.

15 Da antwortete Eliphas von Theman und sprach:

Soll ein weiser Mann so aufgeblasene Worte reden und seinen Bauch so blähen mit leeren Reden?

Du verantwortest dich mit Worten, die nicht taugen, und dein Reden ist nichts nütze.

Du hast die Furcht fahren lassen und redest verächtlich vor Gott.

Denn deine Missetat lehrt deinen Mund also, und hast erwählt eine listige Zunge.

Dein Mund verdammt dich, und nicht ich; deine Lippen zeugen gegen dich.

Bist du der erste Mensch geboren? bist du vor allen Hügeln empfangen?

Hast du Gottes heimlichen Rat gehört und die Weisheit an dich gerissen?

Was weißt du, das wir nicht wissen? was verstehst du, das nicht bei uns sei?

10 Es sind Graue und Alte unter uns, die länger gelebt haben denn dein Vater.

11 Sollten Gottes Tröstungen so gering vor dir gelten und ein Wort, in Lindigkeit zu dir gesprochen?

12 Was nimmt dein Herz vor? was siehst du so stolz?

13 Was setzt sich dein Mut gegen Gott, daß du solche Reden aus deinem Munde lässest?

14 Was ist ein Mensch, daß er sollte rein sein, und daß er sollte gerecht sein, der von einem Weibe geboren ist?

15 Siehe, unter seinen Heiligen ist keiner ohne Tadel, und die im Himmel sind nicht rein vor ihm.

16 Wie viel weniger ein Mensch, der ein Greuel und schnöde ist, der Unrecht säuft wie Wasser.

17 Ich will dir's zeigen, höre mir zu, und ich will dir erzählen, was ich gesehen habe,

18 was die Weisen gesagt haben und ihren Vätern nicht verhohlen gewesen ist,

19 welchen allein das Land gegeben war, daß kein Fremder durch sie gehen durfte:

20 "Der Gottlose bebt sein Leben lang, und dem Tyrannen ist die Zahl seiner Jahre verborgen.

21 Was er hört, das schreckt ihn; und wenn's gleich Friede ist, fürchtet er sich, der Verderber komme,

22 glaubt nicht, daß er möge dem Unglück entrinnen, und versieht sich immer des Schwerts.

23 Er zieht hin und her nach Brot, und es dünkt ihn immer, die Zeit seines Unglücks sei vorhanden.

24 Angst und Not schrecken ihn und schlagen ihn nieder wie ein König mit seinem Heer.

25 Denn er hat seine Hand wider Gott gestreckt und sich wider den Allmächtigen gesträubt.

26 Er läuft mit dem Kopf an ihn und ficht halsstarrig wider ihn.

27 Er brüstet sich wie ein fetter Wanst und macht sich feist und dick.

28 Er wohnt in verstörten Städten, in Häusern, da man nicht bleiben darf, die auf einem Haufen liegen sollen.

29 Er wird nicht reich bleiben, und sein Gut wird nicht bestehen, und sein Glück wird sich nicht ausbreiten im Lande.

30 Unfall wird nicht von ihm lassen. Die Flamme wird seine Zweige verdorren, und er wird ihn durch den Odem seines Mundes wegnehmen.

31 Er wird nicht bestehen, denn er ist in seinem eiteln Dünkel betrogen; und eitel wird sein Lohn werden.

32 Er wird ein Ende nehmen vor der Zeit; und sein Zweig wird nicht grünen.

33 Er wird abgerissen werden wie eine unzeitige Traube vom Weinstock, und wie ein Ölbaum seine Blüte abwirft.

34 Denn der Heuchler Versammlung wird einsam bleiben; und das Feuer wird fressen die Hütten derer, die Geschenke nehmen.

35 Sie gehen schwanger mit Unglück und gebären Mühsal, und ihr Schoß bringt Trug."

16 Hiob antwortete und sprach:

Ich habe solches oft gehört. Ihr seid allzumal leidige Tröster!

Wollen die leeren Worte kein Ende haben? Oder was macht dich so frech, also zu reden?

Ich könnte auch wohl reden wie ihr. Wäre eure Seele an meiner Statt, so wollte ich auch Worte gegen euch zusammenbringen und mein Haupt also über euch schütteln.

Ich wollte euch stärken mit dem Munde und mit meinen Lippen trösten.

Aber wenn ich schon rede, so schont mein der Schmerz nicht; lasse ich's anstehen so geht er nicht von mir.

Nun aber macht er mich müde und verstört alles, was ich bin.

Er hat mich runzlig gemacht, das zeugt wider mich; und mein Elend steht gegen mich auf und verklagt mich ins Angesicht.

Sein Grimm zerreißt, und der mir gram ist, beißt die Zähne über mich zusammen; mein Widersacher funkelt mit seinen Augen auf mich.

10 Sie haben ihren Mund aufgesperrt gegen mich und haben mich schmählich auf meine Backen geschlagen; sie haben ihren Mut miteinander an mir gekühlt.

11 Gott hat mich übergeben dem Ungerechten und hat mich in der Gottlosen Hände kommen lassen.

12 Ich war in Frieden, aber er hat mich zunichte gemacht; er hat mich beim Hals genommen und zerstoßen und hat mich zum Ziel aufgerichtet.

13 Er hat mich umgeben mit seinen Schützen; er hat meine Nieren gespalten und nicht verschont; er hat meine Galle auf die Erde geschüttet.

14 Er hat mir eine Wunde über die andere gemacht; er ist an mich gelaufen wie ein Gewaltiger.

15 Ich habe einen Sack um meine Haut genäht und habe mein Horn in den Staub gelegt.

16 Mein Antlitz ist geschwollen von Weinen, und meine Augenlider sind verdunkelt,

17 wiewohl kein Frevel in meiner Hand ist und mein Gebet ist rein.

18 Ach Erde, bedecke mein Blut nicht! und mein Geschrei finde keine Ruhestätte!

19 Auch siehe da, meine Zeuge ist mein Himmel; und der mich kennt, ist in der Höhe.

20 Meine Freunde sind meine Spötter; aber mein Auge tränt zu Gott,

21 daß er entscheiden möge zwischen dem Mann und Gott, zwischen dem Menschenkind und seinem Freunde.

22 Denn die bestimmten Jahre sind gekommen, und ich gehe hin des Weges, den ich nicht wiederkommen werde.

17 Mein Odem ist schwach, und meine Tage sind abgekürzt; das Grab ist da.

Fürwahr, Gespött umgibt mich, und auf ihrem Hadern muß mein Auge weilen.

Sei du selber mein Bürge bei dir; wer will mich sonst vertreten?

Denn du hast ihrem Herzen den Verstand verborgen; darum wirst du ihnen den Sieg geben.

Es rühmt wohl einer seinen Freunden die Ausbeute; aber seiner Kinder Augen werden verschmachten.

Er hat mich zum Sprichwort unter den Leuten gemacht, und ich muß mir ins Angesicht speien lassen.

Mein Auge ist dunkel geworden vor Trauern, und alle meine Glieder sind wie ein Schatten.

Darüber werden die Gerechten sich entsetzen, und die Unschuldigen werden sich entrüsten gegen die Heuchler.

Aber der Gerechte wird seinen Weg behalten; und wer reine Hände hat, wird an Stärke zunehmen.

10 Wohlan, so kehrt euch alle her und kommt; ich werde doch keinen Weisen unter euch finden.

11 Meine Tage sind vergangen; meine Anschläge sind zerrissen, die mein Herz besessen haben.

12 Sie wollen aus der Nacht Tag machen und aus dem Tage Nacht.

13 Wenn ich gleich lange harre, so ist doch bei den Toten mein Haus, und in der Finsternis ist mein Bett gemacht;

14 Die Verwesung heiße ich meinen Vater und die Würmer meine Mutter und meine Schwester:

15 was soll ich denn harren? und wer achtet mein Hoffen?

16 Hinunter zu den Toten wird es fahren und wird mit mir in dem Staub liegen.

18 Da antwortete Bildad von Suah und sprach:

Wann wollt ihr der Reden ein Ende machen? Merkt doch; darnach wollen wir reden.

Warum werden wir geachtet wie Vieh und sind so unrein vor euren Augen?

Willst du vor Zorn bersten? Meinst du, daß um deinetwillen die Erde verlassen werde und der Fels von seinem Ort versetzt werde?

Und doch wird das Licht der Gottlosen verlöschen, und der Funke seines Feuers wird nicht leuchten.

Das Licht wird finster werden in seiner Hütte, und seine Leuchte über ihm verlöschen.

Seine kräftigen Schritte werden in die Enge kommen, und sein Anschlag wird ihn fällen.

Denn er ist mit seinen Füßen in den Strick gebracht und wandelt im Netz.

Der Strick wird seine Ferse halten, und die Schlinge wird ihn erhaschen.

10 Sein Strick ist gelegt in die Erde, und seine Falle auf seinem Gang.

11 Um und um wird ihn schrecken plötzliche Furcht, daß er nicht weiß, wo er hinaus soll.

12 Hunger wird seine Habe sein, und Unglück wird ihm bereit sein und anhangen.

13 Die Glieder seines Leibes werden verzehrt werden; seine Glieder wird verzehren der Erstgeborene des Todes.

14 Seine Hoffnung wird aus seiner Hütte ausgerottet werden, und es wird ihn treiben zum König des Schreckens.

15 In seiner Hütte wird nichts bleiben; über seine Stätte wird Schwefel gestreut werden.

16 Von unten werden verdorren seine Wurzeln, und von oben abgeschnitten seine Zweige.

17 Sein Gedächtnis wird vergehen in dem Lande, und er wird keinen Namen haben auf der Gasse.

18 Er wird vom Licht in die Finsternis vertrieben und vom Erdboden verstoßen werden.

19 Er wird keine Kinder haben und keine Enkel unter seinem Volk; es wird ihm keiner übrigbleiben in seinen Gütern.

20 Die nach ihm kommen, werden sich über seinen Tag entsetzen; und die vor ihm sind, wird eine Furcht ankommen.

21 Das ist die Wohnung des Ungerechten; und dies ist die Stätte des, der Gott nicht achtet.

19 Hiob antwortete und sprach:

Wie lange plagt ihr doch meine Seele und peinigt mich mit Worten?

Ihr habt mich nun zehnmal gehöhnt und schämt euch nicht, daß ihr mich also umtreibt.

Irre ich, so irre ich mir.

Wollt ihr wahrlich euch über mich erheben und wollt meine Schmach mir beweisen,

so merkt doch nun einmal, daß mir Gott Unrecht tut und hat mich mit seinem Jagdstrick umgeben.

Siehe, ob ich schon schreie über Frevel, so werde ich doch nicht erhört; ich rufe, und ist kein Recht da.

Er hat meinen Weg verzäunt, daß ich nicht kann hinübergehen, und hat Finsternis auf meinen Steig gestellt.

Er hat meine Ehre mir ausgezogen und die Krone von meinem Haupt genommen.

10 Er hat mich zerbrochen um und um und läßt mich gehen und hat ausgerissen meine Hoffnung wie einen Baum.

11 Sein Zorn ist über mich ergrimmt, und er achtet mich für seinen Feind.

12 Seine Kriegsscharen sind miteinander gekommen und haben ihren Weg gegen mich gebahnt und haben sich um meine Hütte her gelagert.

13 Er hat meine Brüder fern von mir getan, und meine Verwandten sind mir fremd geworden.

14 Meine Nächsten haben sich entzogen, und meine Freunde haben mein vergessen.

15 Meine Hausgenossen und meine Mägde achten mich für fremd; ich bin unbekannt geworden vor ihren Augen.

16 Ich rief meinen Knecht, und er antwortete mir nicht; ich mußte ihn anflehen mit eigenem Munde.

17 Mein Odem ist zuwider meinem Weibe, und ich bin ein Ekel den Kindern meines Leibes.

18 Auch die jungen Kinder geben nichts auf mich; wenn ich ihnen widerstehe, so geben sie mir böse Worte.

19 Alle meine Getreuen haben einen Greuel an mir; und die ich liebhatte, haben sich auch gegen mich gekehrt.

20 Mein Gebein hanget an mir an Haut und Fleisch, und ich kann meine Zähne mit der Haut nicht bedecken.

21 Erbarmt euch mein, erbarmt euch mein, ihr meine Freunde! denn die Hand Gottes hat mich getroffen.

22 Warum verfolgt ihr mich gleich wie Gott und könnt meines Fleisches nicht satt werden?

23 Ach daß meine Reden geschrieben würden! ach daß sie in ein Buch gestellt würden!

24 mit einem eisernen Griffel auf Blei und zum ewigem Gedächtnis in Stein gehauen würden!

25 Aber ich weiß, daß mein Erlöser lebt; und als der letzte wird er über dem Staube sich erheben.

26 Und nachdem diese meine Haut zerschlagen ist, werde ich ohne mein Fleisch Gott sehen.

27 Denselben werde ich mir sehen, und meine Augen werden ihn schauen, und kein Fremder. Darnach sehnen sich meine Nieren in meinem Schoß.

28 Wenn ihr sprecht: Wie wollen wir ihn verfolgen und eine Sache gegen ihn finden!

29 so fürchtet euch vor dem Schwert; denn das Schwert ist der Zorn über die Missetaten, auf daß ihr wißt, daß ein Gericht sei.

20 Da antwortete Zophar von Naema und sprach:

Darauf muß ich antworten und kann nicht harren.

Denn ich muß hören, wie man mich straft und tadelt; aber der Geist meines Verstandes soll für mich antworten.

Weißt du nicht, daß es allezeit so gegangen ist, seitdem Menschen auf Erden gewesen sind:

daß der Ruhm der Gottlosen steht nicht lange und die Freude des Heuchlers währt einen Augenblick?

Wenngleich seine Höhe in den Himmel reicht und sein Haupt an die Wolken rührt,

so wird er doch zuletzt umkommen wie Kot, daß die, welche ihn gesehen haben, werden sagen: Wo ist er?

Wie ein Traum vergeht, so wird er auch nicht zu finden sein, und wie ein Gesicht in der Nacht verschwindet.

Welch Auge ihn gesehen hat, wird ihn nicht mehr sehen; und seine Stätte wird ihn nicht mehr schauen.

10 Seine Kinder werden betteln gehen, und seine Hände müssen seine Habe wieder hergeben.

11 Seine Gebeine werden seine heimlichen Sünden wohl bezahlen, und sie werden sich mit ihm in die Erde legen.

12 Wenn ihm die Bosheit in seinem Munde wohl schmeckt, daß er sie birgt unter seiner Zunge,

13 daß er sie hegt und nicht losläßt und sie zurückhält in seinem Gaumen,

14 so wird seine Speise inwendig im Leibe sich verwandeln in Otterngalle.

15 Die Güter, die er verschlungen hat, muß er wieder ausspeien, und Gott wird sie aus seinem Bauch stoßen.

16 Er wird der Ottern Gift saugen, und die Zunge der Schlange wird ihn töten.

17 Er wird nicht sehen die Ströme noch die Wasserbäche, die mit Honig und Butter fließen.

18 Er wird arbeiten, und des nicht genießen; und seine Güter werden andern, daß er deren nicht froh wird.

19 Denn er hat unterdrückt und verlassen den Armen; er hat Häuser an sich gerissen, die er nicht erbaut hat.

20 Denn sein Wanst konnte nicht voll werden; so wird er mit seinem köstlichen Gut nicht entrinnen.

21 Nichts blieb übrig vor seinem Fressen; darum wird sein gutes Leben keinen Bestand haben.

22 Wenn er gleich die Fülle und genug hat, wird ihm doch angst werden; aller Hand Mühsal wird über ihn kommen.

23 Es wird ihm der Wanst einmal voll werden, wenn er wird den Grimm seines Zorns über ihn senden und über ihn wird regnen lassen seine Speise.

24 Er wird fliehen vor dem eisernen Harnisch, und der eherne Bogen wird ihn verjagen.

25 Ein bloßes Schwert wird durch ihn ausgehen; und des Schwertes Blitz, der ihm bitter sein wird, wird mit Schrecken über ihn fahren.

26 Es ist keine Finsternis da, die ihn verdecken möchte. Es wird ihn ein Feuer verzehren, das nicht angeblasen ist; und wer übrig ist in seiner Hütte, dem wird's übel gehen.

27 Der Himmel wird seine Missetat eröffnen, und die Erde wird sich gegen ihn setzen.

28 Das Getreide in seinem Hause wird weggeführt werden, zerstreut am Tage seines Zorns.

29 Das ist der Lohn eines gottlosen Menschen bei Gott und das Erbe, das ihm zugesprochen wird von Gott.

21 Hiob antwortete und sprach:

Hört doch meiner Rede zu und laßt mir das anstatt eurer Tröstungen sein!

Vertragt mich, daß ich auch rede, und spottet darnach mein!

Handle ich denn mit einem Menschen? oder warum sollte ich ungeduldig sein?

Kehrt euch her zu mir; ihr werdet erstarren und die Hand auf den Mund legen müssen.

Wenn ich daran denke, so erschrecke ich, und Zittern kommt mein Fleisch an.

Warum leben denn die Gottlosen, werden alt und nehmen zu an Gütern?

Ihr Same ist sicher um sie her, und ihre Nachkömmlinge sind bei ihnen.

Ihr Haus hat Frieden vor der Furcht, und Gottes Rute ist nicht über ihnen.

10 Seinen Stier läßt man zu, und es mißrät ihm nicht; seine Kuh kalbt und ist nicht unfruchtbar.

11 Ihre jungen Kinder lassen sie ausgehen wie eine Herde, und ihre Knaben hüpfen.

12 Sie jauchzen mit Pauken und Harfen und sind fröhlich mit Flöten.

13 Sie werden alt bei guten Tagen und erschrecken kaum einen Augenblick vor dem Tode,

14 die doch sagen zu Gott: "Hebe dich von uns, wir wollen von deinen Wegen nicht wissen!

15 Wer ist der Allmächtige, daß wir ihm dienen sollten? oder was sind wir gebessert, so wir ihn anrufen?"

16 "Aber siehe, ihr Glück steht nicht in ihren Händen; darum soll der Gottlosen Sinn ferne von mir sein."

17 Wie oft geschieht's denn, daß die Leuchte der Gottlosen verlischt und ihr Unglück über sie kommt? daß er Herzeleid über sie austeilt in seinem Zorn?

18 daß sie werden wie Stoppeln vor dem Winde und wie Spreu, die der Sturmwind wegführt?

19 "Gott spart desselben Unglück auf seine Kinder". Er vergelte es ihm selbst, daß er's innewerde.

20 Seine Augen mögen sein Verderben sehen, und vom Grimm des Allmächtigen möge er trinken.

21 Denn was ist ihm gelegen an seinem Hause nach ihm, wenn die Zahl seiner Monden ihm zugeteilt ist?

22 Wer will Gott lehren, der auch die Hohen richtet?

23 Dieser stirbt frisch und gesund in allem Reichtum und voller Genüge,

24 sein Melkfaß ist voll Milch, und seine Gebeine werden gemästet mit Mark;

25 jener aber stirbt mit betrübter Seele und hat nie mit Freuden gegessen;

26 und liegen gleich miteinander in der Erde, und Würmer decken sie zu.

27 Siehe, ich kenne eure Gedanken wohl und euer frevles Vornehmen gegen mich.

28 Denn ihr sprecht: "Wo ist das Haus des Fürsten? und wo ist die Hütte, da die Gottlosen wohnten?"

29 Habt ihr denn die Wanderer nicht befragt und nicht gemerkt ihre Zeugnisse?

30 Denn der Böse wird erhalten am Tage des Verderbens, und am Tage des Grimms bleibt er.

31 Wer will ihm ins Angesicht sagen, was er verdient? wer will ihm vergelten, was er tut?

32 Und er wird zu Grabe geleitet und hält Wache auf seinem Hügel.

33 Süß sind ihm die Schollen des Tales, und alle Menschen ziehen ihm nach; und derer, die ihm vorangegangen sind, ist keine Zahl.

34 Wie tröstet ihr mich so vergeblich, und eure Antworten finden sich unrecht!

Zofar: Gottes Weisheit kannst du nicht begreifen!

11 Darauf erwiderte Zofar aus Naama:

»Soll diese Flut von Worten ohne Antwort bleiben?
Darf denn ein Schwätzer recht behalten?
Meinst du etwa, dein leeres Gerede verschlägt uns die Sprache?
Willst du weiter spotten,
ohne dass dich jemand zurechtweist?
Du sagst zu Gott:
›Meine Urteile sind völlig richtig!
In deinen Augen bin ich rein!‹

Hiob, ich wünsche nichts sehnlicher,
als dass Gott mit dir redet
und dir zeigt,
wie unendlich tief seine Weisheit ist!
Sie hat so viele Seiten!
Kein Mensch kann sie begreifen.

Glaub mir:
Gott sieht über viele deiner Sünden hinweg!
Kannst du die Geheimnisse Gottes erforschen
und die Vollkommenheit des Allmächtigen erfassen?
Der Himmel oben setzt Gott keine Grenze – dir aber allemal[a]!
Gott kennt die Welt der Toten unten in der Tiefe – du aber nicht!
Seine Größe überragt die Erde
und reicht weiter als das Meer!
10 Wenn er kommt,
dich gefangen nimmt und dann Gericht hält –
wer kann ihn daran hindern?
11 Nichtsnutzige Menschen kennt er ganz genau,
ihr böses Treiben entgeht ihm nicht.
12 Ein Hohlkopf kommt nicht zur Vernunft,
genauso wenig, wie ein Wildesel als Mensch geboren wird.

13 Hiob, fass einen klaren Entschluss:
Streck deine Hände empor und bete zu Gott!
14 Mach deinen Fehler wieder gut
und lass in deinen Zelten kein neues Unrecht geschehen!
15 Dann kannst du jedem wieder offen ins Gesicht sehen,
unerschütterlich und furchtlos stehst du im Leben deinen Mann!
16 Bald schon wird all dein Leid vergessen sein
wie Wasser, das versickert ist.
17 Dann kann dein Leben noch einmal beginnen
und leuchten wie die Mittagssonne,
auch die dunkelsten Stunden werden strahlen wie der lichte Morgen.
18 Dann hast du endlich wieder Hoffnung
und kannst zuversichtlich sein.
Abends siehst du noch einmal nach dem Rechten
und legst dich dann in Frieden schlafen.
19 Kein Feind schreckt dich auf – im Gegenteil:
Viele werden sich um deine Gunst bemühen.
20 Aber alle, die Gott missachten,
schauen sich vergeblich nach Hilfe um;
sie haben keine Zuflucht mehr!
Ihnen bleibt nur noch der letzte Atemzug.«

Hiob: Was ihr wisst, weiß ich auch!

12 Darauf entgegnete Hiob:

»Jawohl, ihr habt die Weisheit gepachtet,
und mit euch stirbt sie eines Tages aus!
Auch ich habe Verstand, genauso wie ihr;
ich stehe euch in nichts nach.
Was ihr sagt, weiß doch jeder!
Aber jetzt lachen sogar meine Freunde mich aus,
obwohl ich unschuldig bin
und keiner mir etwas Schlechtes nachsagen kann.

Früher hat Gott meine Gebete erhört.
Er gab mir Antwort, wenn ich zu ihm rief.
Wem es gut geht, der kann über das Unglück anderer spotten –
ein Schlag ins Gesicht für alle, die ohnehin schon stürzen.
Aber die Gewalttätigen bleiben unbehelligt.
Sie fordern Gott heraus,
sie meinen, ihn in der Hand zu haben,
und leben doch sicher und ungestört.

Von den Tieren draußen kannst du vieles lernen,
schau dir doch die Vögel an!
Frag nur die Erde und die Fische im Meer;
hör, was sie dir sagen!
Wer von diesen allen wüsste nicht,
dass der Herr sie mit seiner Hand geschaffen hat?
10 Alle Lebewesen hält er in der Hand,
den Menschen gibt er ihren Atem.
11 Soll nicht mein Ohr eure Worte prüfen,
so wie mein Gaumen das Essen kostet?
12 Man sagt, Weisheit sei bei den Alten zu finden
und ein langes Leben bringe Erfahrung.
13 Doch Gott allein besitzt Weisheit und Kraft,
nie wird er ratlos; er weiß, was er tun soll.
14 Was er abreißt, wird nie wieder aufgebaut,
und wenn er einen Menschen einschließt,
kann keiner ihn befreien.
15 Hält er den Regen zurück,
dann wird das Land von Dürre geplagt;
lässt er die Wasserfluten los,
dann wühlen sie es um.
16 Er allein besitzt Macht!
Was er sich vornimmt, das gelingt.
Gott hat beide in der Hand:
den, der sich irrt,
und den, der andere irreführt.
17 Königliche Ratgeber nimmt er gefangen;
erfahrene Richter macht er zu Narren.
18 Gefangene eines Königs befreit er,
doch den König selbst legt er in Fesseln.
19 Er führt die Priester weg mit Schimpf und Schande
und bringt alteingesessene Familien zu Fall.
20 Berühmten Rednern entzieht er das Wort,
den Alten nimmt er die Urteilskraft.
21 Fürsten gibt er der Verachtung preis,
und die Mächtigen macht er schwach.
22 Die Dunkelheit überflutet er mit Licht,
ja, die tiefsten Geheimnisse deckt er auf.
23 Er lässt Völker mächtig werden
und richtet sie wieder zugrunde;
er macht ein Volk groß und vertreibt es wieder.
24 Ihren Königen nimmt er den Verstand
und führt sie hoffnungslos in die Irre.
25 Im Dunkeln tappen sie umher
und torkeln wie Betrunkene.«

Wollt ihr für Gott Partei ergreifen?

13 »Das alles ist mir bestens bekannt!
Ich habe es mit eigenen Augen gesehen
und von anderen gehört.
Was ihr wisst, weiß ich auch,
ich stehe euch in nichts nach!
Aber ich will mit dem Allmächtigen reden,
vor ihm will ich mich verteidigen.
Ihr übertüncht ja die Wahrheit mit euren Lügen!
Kurpfuscher seid ihr allesamt!

Wenn ihr doch nur schweigen würdet,
dann könnte man euch noch für weise halten!
Hört jetzt, was ich zu meiner Verteidigung sage,
und gebt acht, wie ich meinen Fall vortrage!
Wollt ihr für Gott lügen
und mit falschen Aussagen für ihn eintreten?
Wollt ihr Partei für ihn ergreifen
und seinen Streit ausfechten?
Das kann doch nicht gutgehen!
Meint ihr, dass er sich täuschen lässt,
wenn er euch ins Verhör nimmt?
10 Zurechtweisen wird er euch,
weil ihr heimlich für ihn Partei ergreift!
11 Sein Erscheinen wird euch zu Tode erschrecken,
die Angst wird euch packen!
12 Eure tiefsinnigen Sprüche sind wertlos wie ein Häufchen Asche!
Eure Verteidigung zerbröckelt wie Lehm!

13 Schweigt jetzt! Ich will reden, komme, was da wolle!
14 Ich bin bereit, Kopf und Kragen zu riskieren,
ja, ich setze mein Leben aufs Spiel!
15 Gewiss wird Gott mich töten,
dennoch vertraue ich auf ihn,
denn ich will mein Leben vor ihm verantworten.
16 Schon das wird meine Rettung sein, denn wer mit Gott gebrochen hat,
darf gar nicht erst in seine Nähe kommen!
17 Hört jetzt genau zu, wenn ich meinen Fall klarstelle!
Achtet auf jedes Wort!
18 Ich habe mich auf die Verhandlung bestens vorbereitet
und bin sicher, dass ich recht behalte.
19 Kann mir jemand eine Schuld nachweisen?
Dann will ich schweigen und auf der Stelle sterben.
20 Aber zuerst habe ich noch zwei Bitten an dich, o Gott;
erfülle sie mir, damit ich dir überhaupt begegnen kann:
21 Nimm dieses schmerzhafte Leiden von mir
und die schreckliche Angst, mit der du mich plagst!
22 Rede du zuerst, dann werde ich antworten,
oder lass mich beginnen, und dann antworte du!

23 O Gott, sag mir: Wo bin ich schuldig geworden?
Welche Sünden habe ich begangen?
Wo habe ich dir die Treue gebrochen?
24 Warum ziehst du dich von mir zurück
und betrachtest mich als deinen Feind?
25 Warum verfolgst du mich und jagst mir Schrecken ein?
Ich bin doch nur ein welkes Blatt, ein dürrer Halm!
26 Ein bitteres Los hast du über mich verhängt;
du strafst mich sogar für die Sünden meiner Jugend.
27 Du legst meine Füße in Ketten,
beobachtest jede Bewegung
und bewachst mich auf Schritt und Tritt[b].
28 So zerfalle ich langsam wie ein Holz, das vermodert,
wie ein Kleid, das die Motten zerfressen.«

Gott, versteck mich doch bei den Toten!

14 »Wie vergänglich ist der Mensch!
Wie kurz sind seine Jahre!
Wie mühsam ist sein Leben!
Er blüht auf wie eine Blume –
und verwelkt;
er verschwindet wie ein Schatten –
und fort ist er!
Und doch verlierst du ihn nicht aus den Augen
und stellst ihn vor dein Gericht!
Du musst doch wissen, dass aus Unreinheit nichts Reines entsteht.
Wie sollte da ein Mensch vollkommen sein? Alle sind mit Schuld beladen![c]
Die Jahre eines jeden Menschen sind gezählt;
die Dauer seines Lebens hast du festgelegt.
Du hast ihm eine Grenze gesetzt,
die er nicht überschreiten kann.
So schau jetzt weg von ihm,
damit er Ruhe hat und seines Lebens noch froh wird,
wie ein Arbeiter am Feierabend!

Für einen Baum gibt es immer noch Hoffnung,
selbst wenn man ihn gefällt hat;
aus dem Stumpf wachsen wieder frische Triebe nach.
Auch wenn seine Wurzeln im Erdreich absterben
und der Stumpf langsam im Boden vertrocknet,
erwacht er doch zu neuem Leben,
sobald er Wasser bekommt.
Neue Triebe schießen empor wie bei einer jungen Pflanze.
10 Aber wenn ein Mensch gestorben ist,
dann ist er dahin.
Er hat sein Leben ausgehaucht. Wo ist er nun?
11 Wie Wasser, das aus einem See ausläuft,
und wie ein Flussbett, das vertrocknet,
12 so ist der Mensch, wenn er stirbt:
Er legt sich nieder und steht nie wieder auf.
Ja, die Toten werden niemals erwachen,
solange der Himmel besteht!
Nie wieder werden sie aus ihrem Schlaf erweckt!

13 O Gott, versteck mich doch bei den Toten!
Schließ mich für eine Weile dort ein,
bis dein Zorn verflogen ist!
Aber setz dir eine Frist und denk dann wieder an mich! –
14 Meinst du, ein Mensch wird wieder lebendig,
wenn er gestorben ist? –
Dann könnte ich trotz meiner Qualen auf bessere Zeiten hoffen
wie ein Zwangsarbeiter, der die Tage bis zu seiner Entlassung zählt.
15 Denn dann wirst du mich rufen, und ich werde dir antworten.
Du wirst dich nach mir sehnen,
weil du selbst mich geschaffen hast.
16 Meine Wege siehst du auch dann noch,
aber meine Sünden hältst du mir nicht mehr vor.
17 Was immer ich begangen habe,
verschließt du wie in einem Beutel,
meine Schuld löschst du für immer aus.

18 Doch selbst Berge stürzen und zerfallen,
Felsen rutschen zu Tal.
19 Wasser zermahlt die Steine zu Sand,
und Sturzbäche reißen den Erdboden fort.
Genauso zerstörst du jede Hoffnung des Menschen.
20 Du überwältigst ihn, zwingst ihn zu Boden;
mit entstelltem Gesicht liegt er da und stirbt.
Du schickst ihn fort – er kommt nie wieder.
21 Ob seine Kinder einst berühmt sind
oder ob man sie verachtet,
er weiß nichts davon.
Ihre Zukunft bleibt ihm völlig verborgen.
22 Er fühlt nur die eigenen Schmerzen
und trauert nur über sich selbst.«

Elifas: Du zerstörst die Ehrfurcht vor Gott!

15 Da antwortete Elifas aus Teman:

»Und du willst ein weiser Mann sein, Hiob?
Leere Worte! Du machst nichts als leere Worte![d]
Kein Weiser würde so reden wie du!
Wie du dich wehrst und zurückschlägst!
Das ist doch völlig nutzlos!
Was du sagst, hat keinen Wert!
Wenn du so weitermachst,
wird niemand mehr Ehrfurcht vor Gott haben,
niemand wird sich noch auf ihn besinnen.
Hinter vielen Worten willst du deine Schuld verstecken,
listig lenkst du von ihr ab!
Ich muss dich gar nicht schuldig sprechen –
du selbst tust es;
jedes deiner Worte klagt dich an.

Bist du als erster Mensch geboren worden,
noch ehe Gott die Berge schuf?
Hast du etwa Gottes geheime Beratungen belauscht und kennst seine Pläne?
Du meinst wohl, du hast die Weisheit gepachtet!
Was weißt du denn, das wir nicht auch schon wüssten;
was du begriffen hast, begreifen wir schon längst!
10 Hinter uns stehen alte, weise Männer,
die älter wurden als dein Vater.

11 Hiob, Gott will dich trösten!
Ist dir das gar nichts wert?
Durch uns redet er dich freundlich an.
12 Was erlaubst du dir!
Du lässt dich vom Ärger mitreißen,
aus deinen Augen sprüht der Zorn;
13 so ziehst du gegen Gott zu Felde
und klagst ihn erbittert an!
14 Welcher Mensch ist wirklich schuldlos,
wer kann vor Gott bestehen?
15 Selbst seinen Engeln vertraut Gott nicht,
in seinen Augen ist sogar der Himmel unvollkommen.
16 Wie viel mehr die Menschen:
Abscheulich und verdorben sind sie,
am Unrecht trinken sie sich satt,
als wäre es Wasser!

17 Hör mir zu, Hiob!
Ich will dir etwas erklären, was ich aus eigener Erfahrung weiß,
18 es stimmt auch mit den Worten der alten, weisen Männer überein.
Sie wiederum haben es von ihren Vätern gelernt,
19 denen damals das Land ganz allein gehörte,
von jedem fremden Einfluss unberührt[e].
20 Sie sagten: Der Gewalttäter zittert vor Angst,
er, der von Gott nichts wissen wollte,
hat nicht mehr lange zu leben.
21 Schreckensrufe gellen ihm in den Ohren,
mitten im Frieden wird ihn der Attentäter überfallen.
22 Er glaubt nicht mehr,
dass er der Finsternis entkommen wird.
Das Schwert des Mörders wartet schon auf ihn.
23 Auf der Suche nach Nahrung irrt er umher,
aber findet nichts.
Er weiß, dass bald sein letztes Stündlein schlägt.
24 Ihn packt das Grauen,
Verzweiflung überfällt ihn wie ein König,
der zum Angriff bläst.
25 Denn er hat Gott mit der Faust gedroht
und wagte es, den Allmächtigen zu bekämpfen.
26 Starrköpfig, wie er war,
rannte er gegen Gott an
mit seinem runden, dicken Schild.
27 Ja, er fühlte sich stark,
wurde selbstsicher und überheblich,[f]
28 aber er wird an verwüsteten Orten hausen,
in halb zerfallenen Häusern,
in denen es keiner mehr aushält,
die bald nur noch Ruinen sind.

29 Dieser Mensch wird seinen Reichtum nicht behalten,
und sein Besitz ist nur von kurzer Dauer.
30 Der Finsternis wird er nicht entrinnen;
er ist wie ein Baum,
dessen Zweige das Feuer versengt.
Gott spricht nur ein Wort,
und schon ist er nicht mehr da.
31 Wenn er auf Werte vertraut,
die nicht tragen,
betrügt er sich selbst,
nur Enttäuschung wird sein Lohn sein.
32 Früher, als er denkt,
wird Gottes Vergeltung ihn treffen.
Dann verwelkt er und wird nie wieder grünen.
33 Er gleicht einem Weinstock,
der die Trauben verliert,
und einem Ölbaum,
der seine Blüten abwirft.

34 So geht es allen, die Gott missachten:
Über kurz oder lang sterben sie aus.
Mit Bestechungsgeldern bauen sie ihr Haus,
aber ein Feuer wird alles verwüsten.
35 Sie tragen sich mit bösen Plänen,
Gemeinheiten brüten sie aus
und setzen Unheil in die Welt.«

Hiob: Ihr habt gut reden!

16 Hiob erwiderte:

»Ach, solche Worte habe ich schon oft gehört.
Ihr alle habt nur schwachen Trost zu bieten!
Hört dein hohles Geschwätz niemals auf?
Was reizt dich so, dass du mir ständig widersprechen musst?
Auch ich könnte reden so wie ihr,
wenn ich an eurer Stelle wäre!
Ich könnte euch dann schöne Vorträge halten
und weise mein Haupt schütteln.
Mit meinen Worten würde ich euch stärken
und euch mein Beileid aussprechen.
Doch wenn ich rede,
lässt mein Schmerz nicht nach,
und schweige ich,
so wird es auch nicht besser!«

Gott greift mich immer wieder an!

»O Gott, du hast mir meine Kraft genommen,
meine Familie und meinen Freundeskreis hast du zerstört.
Du hast mich gepackt –
schon das soll meine Schuld beweisen!
Meine Krankheit tritt als Zeuge gegen mich auf.
Gott ist mein Feind geworden,
er fletscht die Zähne,
zerreißt mich im Zorn
und durchbohrt mich mit seinen Blicken.
10 Auch die Menschen verbünden sich gegen mich.
Sie reißen ihr Maul gegen mich auf
und schlagen mir voller Hohn auf die Wange.
11 Gott hat mich bösen Menschen ausgeliefert;
Gottlosen bin ich in die Hände gefallen.
12 Ich lebte in Ruhe und Frieden,
aber Gott hat mich aufgeschreckt,
mich am Genick gepackt und zerschmettert.
Er hat mich zu seiner Zielscheibe gemacht,
13 seine Pfeile schießen auf mich zu.
Erbarmungslos durchbohrt er meine Nieren,
meine Galle tropft zu Boden.
14 Wunde um Wunde fügt er mir zu,
wie ein Soldat rennt er gegen mich an.

15 In Trauerkleidung sitze ich hier,
ich bin am Boden zerstört[g].
16 Ich habe dunkle Ringe um die Augen,
und mein Gesicht ist rot vom vielen Weinen,
17 obwohl ich kein Unrecht begangen habe
und mein Gebet aus reinem Herzen kommt.«

Ich rufe meinen Zeugen an!

18 »O Erde, bedecke mein Blut nicht,
lass meinen Hilfeschrei niemals verstummen!
19 Doch auch jetzt schon habe ich einen Zeugen hoch im Himmel;
der tritt für mich ein!
20 Meine Freunde verspotten mich,
darum schaue ich unter Tränen nach Gott aus.
21 Er wird mich freisprechen
und mir bei anderen Menschen Recht verschaffen.
22 Nur wenige Jahre habe ich noch zu leben,
bis ich den Weg beschreiten muss,
von dem es keine Rückkehr gibt.«

Ich habe keine Hoffnung mehr!

17 »Meine Kraft ist gebrochen,
meine Tage schwinden,
und auf mich wartet nur das Grab.
Ich muss mit ansehen,
wie man mich verspottet;
von allen Seiten werde ich bedrängt.
O Gott, bürge du selbst für mich!
Ich habe sonst keinen, der für mich eintritt!
Meinen Freunden hast du jede Einsicht verschlossen,
darum wirst du sie nicht triumphieren lassen.
Sie gleichen jenem Mann im Sprichwort,
der sein Vermögen an viele Freunde verteilt
und seine eigenen Kinder hungern lässt.
Ich bin dem Spott der Leute preisgegeben,
ja, man spuckt mir ins Gesicht!
Schmerz und Trauer haben mich fast blind gemacht;
ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst.
Darüber sind aufrichtige Menschen hell entsetzt;
sie, die ein reines Gewissen haben, denken über mich:
›Wie gottlos muss der sein!‹
Und doch gehen sie ihren geraden Weg unbeirrbar weiter;
sie, die schuldlos sind, bekommen neue Kraft.
10 Kommt nur alle wieder her, ihr Freunde,
ich finde dennoch keinen Weisen unter euch!
11 Ach, meine Tage sind verflogen,
durchkreuzt sind alle Pläne,
die einst mein Herz erfüllten!
12 Meine Freunde erklären meine Nacht zum Tag!
›Das Licht ist nahe!‹, sagen sie,
während ich ins Finstere starre!
13 Ich habe nur noch das Grab zu erwarten;
in der dunklen Welt der Toten muss ich liegen.
14 Das Grab werde ich bald als ›Vater‹ begrüßen.
Die Verwesung nenn ich ›meine Mutter, liebe Schwester‹.

15 Wo ist meine Hoffnung geblieben, wo denn?
Sieht jemand von ihr auch nur einen Schimmer?
16 O nein, auch sie versinkt mit mir im Tode,
gemeinsam werden wir zu Staub!«

Bildad: Der Gottlose wird vom Unheil verfolgt

18 Nun ergriff Bildad aus Schuach wieder das Wort:

»Hör endlich auf mit dem Geschwätz, Hiob!
Komm zur Vernunft, damit wir dir etwas sagen können!
Warum stellst du uns als töricht hin,
hältst uns für dumm wie ein Stück Vieh?
Du zerfleischst dich selbst in deinem Zorn!
Soll das Land verwüstet werden,
sollen mächtige Felsen einstürzen,
nur damit du recht behältst?

Mach dir nichts vor:
Das Licht des Gottlosen wird erlöschen,
und seine Flamme lodert nicht mehr auf.
In seinem Zelt wird es dunkel,
seine Lampe erlischt.
Mit müden Schritten schleppt er sich dahin;
seine eigenen Machenschaften bringen ihn zu Fall.
Er wird sich im Netz verstricken,
in eine überdeckte Grube stürzen.
Er tritt in die Falle, und sie schnappt zu.
In Schlingen wird er sich verfangen.
10 Versteckt am Boden ist ein Strick für ihn gespannt,
auf seinem Weg wartet eine Falle.
11 Angst und Schrecken bedrängen ihn von allen Seiten,
sie verfolgen ihn auf Schritt und Tritt.
12 Das Unheil lauert ihm auf,
das Unglück wird ihn überfallen.
13 Eine furchtbare Krankheit frisst seine Glieder,
als Bote des Todes zehrt sie ihn aus.
14 Sie entwurzelt ihn aus seiner Heimat,
wo er sich sicher glaubte,
und treibt ihn zum König aller Schrecken – hin zum Tod.
15 Das Feuer wird in seinem Zelt wüten,
und man wird Schwefel auf sein Grundstück streuen.
16 Seine Wurzeln verdorren im Erdreich,
und seine Zweige sterben ab.
17 Die Erinnerung an ihn wird völlig ausgelöscht,
und bald denkt keiner mehr an ihn im ganzen Land.
18 Man wird ihn aus dem Licht ins Dunkle stoßen,
vom Erdboden verschwinden lassen.
19 Er wird weder Kind noch Enkel haben in seinem Volk,
von seiner Familie wird keiner überleben.
20 Über seinen Unglückstag wird jeder sich entsetzen.
In Ost und West packt alle, die es hören, kaltes Grausen.
21 Ja, so sieht das Ende böser Menschen aus!
So geht es dem, der Gott den Rücken kehrt!«

Hiob: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!

19 Da fragte Hiob:

»Wie lange wollt ihr mich noch quälen
und mich mit euren Worten verletzen?
Wie oft habt ihr mich schon beleidigt!
Schämt ihr euch nicht, mir so grausam zuzusetzen?
Denn wäre ich wirklich vom richtigen Weg abgeirrt,
müsste ich allein die Folgen tragen!
Wollt ihr euch etwa über mich erheben
und mir eine Schuld nachweisen?
Merkt ihr denn nicht,
dass Gott mir unrecht tut
und mich in seinem Netz gefangen hat?
Ich schreie: ›Hilfe!‹,
aber niemand hört mich.
Ich rufe aus Leibeskräften –
aber keiner verschafft mir Recht.
Gott hat mir den Weg versperrt,
ich komme nicht mehr weiter.
Meinen Pfad hat er in tiefe Dunkelheit gehüllt.
Ich war angesehen und geachtet,
aber er hat meine Krone weggerissen.
10 Zerschmettert hat er mich, bald muss ich gehen;
meine Hoffnung riss er aus wie einen Baum.
11 Ja, Gottes Zorn ist gegen mich entbrannt,
er behandelt mich als seinen Feind.
12 Vereint sind seine Truppen gegen mich herangerückt,
sie haben einen Weg zu mir gebahnt
und sich rings um mein Zelt aufgestellt.
13 Meine Familie hat Gott mir entfremdet;
die Freunde wollen nichts mehr von mir wissen.
14 Meine Nachbarn haben sich zurückgezogen,
alte Bekannte kennen mich nicht mehr.
15 Alle, die in meinem Hause Zuflucht fanden,
betrachten mich als einen Fremden.
Meine eigenen Mägde kennen mich nicht mehr!
16 Als ich einen Knecht rufen wollte,
gab er keine Antwort. Anflehen musste ich ihn!
17 Meine Frau erträgt meinen stinkenden Atem nicht mehr;
meine eigenen Geschwister ekeln sich vor mir!
18 Sogar Kinder lachen und spotten über mich;
sobald sie mich sehen, fangen sie an zu tuscheln!
19 Meine engsten Freunde verabscheuen mich jetzt;
sie, die mir am nächsten standen, lehnen mich ab!

20 Und ich?
Ich bin nur noch Haut und Knochen,
bin mit knapper Not dem Tod entkommen.

21 Barmherzigkeit! Habt Mitleid, meine Freunde!
Gottes Hand hat mich geschlagen!
22 Warum verfolgt ihr mich, wie Gott es tut?
Habt ihr mich nicht schon genug gequält?[h]
23-24 Ach, würden doch meine Worte in einer Inschrift festgehalten,
in Stein gemeißelt und mit Blei noch ausgegossen,
lesbar für alle Zeiten!

25 Doch eines weiß ich: Mein Erlöser lebt;
auf dieser todgeweihten Erde spricht er das letzte Wort[i]!
26 Auch wenn meine Haut in Fetzen an mir hängt
und mein Leib zerfressen ist,
werde ich doch Gott sehen![j]
27 Ja, ihn werde ich anschauen;
mit eigenen Augen werde ich ihn sehen,
aber nicht als Fremden.
Danach sehne ich mich von ganzem Herzen!
28 Aber wenn ihr sagt:
›Wir wollen Hiob belauern
und etwas finden, das seine Schuld beweist!‹,
29 dann fürchtet euch vor dem Schwert,
vor dem Richterschwert Gottes,
der eure Schuld im Zorn bestrafen wird!
Dann werdet ihr erkennen,
dass es einen Richter gibt!«

Zofar: Unrecht Gut gedeiht nicht!

20 Nun fiel ihm Zofar aus Naama ins Wort:

»Jetzt muss ich dir etwas sagen, Hiob!
Ich kann nicht länger warten!
Dein Gerede beleidigt mich,
doch ich bin klug genug,
dir die passende Antwort zu geben!

4-5 Seit Urzeiten,
seit Gott den Menschen auf die Erde setzte,
gilt dieses eine Gesetz:
Die Freude des Gottlosen ist nicht von Dauer;
sein Glück währt nur für kurze Zeit!
Weißt du das nicht?
Steigt er auch in seinem Stolz bis in den Himmel auf
und reicht er mit dem Kopf bis an die Wolken,
wird er doch für immer vergehen,
genauso wie sein eigener Kot.
Wer diesen Menschen kannte, wird sich fragen:
›Wo ist er nur geblieben?‹
8-9 Er wird spurlos verschwinden wie ein Traum,
verfliegen wie ein flüchtiger Gedanke;
wo er wohnte, wird ihn keiner mehr erblicken.
10 Seine Söhne werden bei den Armen betteln gehen,
weil er sein Hab und Gut zurückerstatten musste.
11 Noch strotzt er vor Kraft,
doch bald wird er im Staube liegen.
12-13 Böses tun ist ihm ein Vergnügen, ein Leckerbissen,
den er sich auf der Zunge zergehen lässt,
den er lange im Mund behält,
um den Geschmack nicht zu verlieren.
14 Doch sobald er ihn verzehrt hat,
wird der Leckerbissen zu Schlangengift.
15 Das unrechte Gut, das er verschlingt,
muss er wieder erbrechen, weil Gott ihn dazu zwingt!
16 Was er so gierig in sich aufsaugt,
stellt sich als Schlangengift heraus;
ein Biss der Viper bringt ihn um.
17 Er wird nicht im Überfluss leben;
Ströme von Milch und Honig fließen nicht für ihn.
18 Was er sich mühevoll erworben hat,
muss er zurückgeben;
er darf es nicht genießen,
an seinem großen Gewinn kann er sich niemals freuen.
19 Denn er unterdrückt und beraubt die Armen;
Häuser, die er selbst nicht baute, reißt er an sich.
20 Seine Habgier, sie kennt keine Grenzen,
doch mit seinen Schätzen wird er nicht entkommen!
21 Nichts ist seiner Fressgier je entgangen,
doch wird sein Wohlstand nur von kurzer Dauer sein.
22 Auf der Höhe seiner Macht wird ihm angst und bange,
das Unglück trifft ihn mit voller Wucht.
23 Soll er sich doch den Bauch vollschlagen!
Irgendwann kommt Gottes Zorn auf ihn herab;
er lässt seine Schläge auf ihn niederregnen.
24 Wenn er dann um sein Leben läuft,
weil er dem Schwert entkommen will,
wird ihn einer mit dem Bogen niederstrecken.
25 Der Bogenschütze zielt auf ihn und schießt:
Ein Pfeil durchbohrt sein Herz
und tritt am Rücken wieder aus;
so stirbt er, voller Angst.
26 Seine angehäuften Schätze hat Gott fürs Unglück aufbewahrt;
ein Feuer wird sie verzehren,
das nicht von Menschenhand entzündet wurde.
Und wer in seinem Zelt noch überlebt,
dem wird es schlecht ergehen.
27 Der Himmel wird seine ganze Schuld enthüllen
und die Erde gegen ihn als Zeuge auftreten.
28 Was er im Laufe seines Lebens erworben hat,
wird in nichts zerrinnen,
wenn Gott in seinem Zorn Gericht hält.
29 Wer sich Gott widersetzt,
hat dieses Ende verdient.
Dieses unheilvolle Erbe hat Gott ihm zugedacht.«

Hiob: Wo bleibt denn Gottes Gerechtigkeit?

21 Da erwiderte Hiob:

»Ach, hört mir doch einmal zu!
Damit würdet ihr mich trösten!
Ertragt mich, wenn ich rede,
und spottet hinterher weiter, wenn ihr wollt!
Ich trage doch meine Klage nicht einem sterblichen Menschen vor,
darum habe ich allen Grund, ungeduldig zu sein!
Seht mich an! Lässt euch dieser Anblick kalt?
Verschlägt es euch da nicht die Sprache?
Ich bin bis ins Innerste aufgewühlt,
ich zittere am ganzen Leib,
wenn ich über dieser Frage grüble:
Warum bleiben die Gottlosen am Leben,
werden alt und immer mächtiger?

Footnotes

  1. 11,8 Wörtlich: Was willst du tun?
  2. 13,27 Wörtlich: und ritzt die Sohlen meiner Füße ein.
  3. 14,4 Wörtlich: Wie könnte ein Reiner vom Unreinen kommen? Nicht einer! – Vgl. »rein/unrein« in den Sacherklärungen.
  4. 15,2 Wörtlich: Darf ein Weiser mit windigem Wissen antworten und seinen Bauch mit Ostwind füllen?
  5. 15,19 Wörtlich: kein Fremder war unter ihnen umhergezogen.
  6. 15,27 Wörtlich: Er hat sein Gesicht mit Fett bedeckt und an den Hüften Fett angesetzt.
  7. 16,15 Wörtlich: ich habe mein Horn in den Staub gesenkt. – Das Horn steht sinnbildlich für Stärke und Kraft.
  8. 19,22 Wörtlich: Werdet ihr von meinem Fleisch nicht gesättigt?
  9. 19,25 Wörtlich: er wird sich als Letzter über dem Staub erheben!
  10. 19,26 Oder: Wenn meine Haut so zerfressen ist, werde ich doch in meinem Leib Gott sehen!