Hiob: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!

19 Da fragte Hiob:

»Wie lange wollt ihr mich noch quälen
und mich mit euren Worten verletzen?
Wie oft habt ihr mich schon beleidigt!
Schämt ihr euch nicht, mir so grausam zuzusetzen?
Denn wäre ich wirklich vom richtigen Weg abgeirrt,
müsste ich allein die Folgen tragen!
Wollt ihr euch etwa über mich erheben
und mir eine Schuld nachweisen?
Merkt ihr denn nicht,
dass Gott mir unrecht tut
und mich in seinem Netz gefangen hat?
Ich schreie: ›Hilfe!‹,
aber niemand hört mich.
Ich rufe aus Leibeskräften –
aber keiner verschafft mir Recht.
Gott hat mir den Weg versperrt,
ich komme nicht mehr weiter.
Meinen Pfad hat er in tiefe Dunkelheit gehüllt.
Ich war angesehen und geachtet,
aber er hat meine Krone weggerissen.
10 Zerschmettert hat er mich, bald muss ich gehen;
meine Hoffnung riss er aus wie einen Baum.
11 Ja, Gottes Zorn ist gegen mich entbrannt,
er behandelt mich als seinen Feind.
12 Vereint sind seine Truppen gegen mich herangerückt,
sie haben einen Weg zu mir gebahnt
und sich rings um mein Zelt aufgestellt.
13 Meine Familie hat Gott mir entfremdet;
die Freunde wollen nichts mehr von mir wissen.
14 Meine Nachbarn haben sich zurückgezogen,
alte Bekannte kennen mich nicht mehr.
15 Alle, die in meinem Hause Zuflucht fanden,
betrachten mich als einen Fremden.
Meine eigenen Mägde kennen mich nicht mehr!
16 Als ich einen Knecht rufen wollte,
gab er keine Antwort. Anflehen musste ich ihn!
17 Meine Frau erträgt meinen stinkenden Atem nicht mehr;
meine eigenen Geschwister ekeln sich vor mir!
18 Sogar Kinder lachen und spotten über mich;
sobald sie mich sehen, fangen sie an zu tuscheln!
19 Meine engsten Freunde verabscheuen mich jetzt;
sie, die mir am nächsten standen, lehnen mich ab!

20 Und ich?
Ich bin nur noch Haut und Knochen,
bin mit knapper Not dem Tod entkommen.

21 Barmherzigkeit! Habt Mitleid, meine Freunde!
Gottes Hand hat mich geschlagen!
22 Warum verfolgt ihr mich, wie Gott es tut?
Habt ihr mich nicht schon genug gequält?[a]
23-24 Ach, würden doch meine Worte in einer Inschrift festgehalten,
in Stein gemeißelt und mit Blei noch ausgegossen,
lesbar für alle Zeiten!

25 Doch eines weiß ich: Mein Erlöser lebt;
auf dieser todgeweihten Erde spricht er das letzte Wort[b]!
26 Auch wenn meine Haut in Fetzen an mir hängt
und mein Leib zerfressen ist,
werde ich doch Gott sehen![c]
27 Ja, ihn werde ich anschauen;
mit eigenen Augen werde ich ihn sehen,
aber nicht als Fremden.
Danach sehne ich mich von ganzem Herzen!
28 Aber wenn ihr sagt:
›Wir wollen Hiob belauern
und etwas finden, das seine Schuld beweist!‹,
29 dann fürchtet euch vor dem Schwert,
vor dem Richterschwert Gottes,
der eure Schuld im Zorn bestrafen wird!
Dann werdet ihr erkennen,
dass es einen Richter gibt!«

Zofar: Unrecht Gut gedeiht nicht!

20 Nun fiel ihm Zofar aus Naama ins Wort:

»Jetzt muss ich dir etwas sagen, Hiob!
Ich kann nicht länger warten!
Dein Gerede beleidigt mich,
doch ich bin klug genug,
dir die passende Antwort zu geben!

4-5 Seit Urzeiten,
seit Gott den Menschen auf die Erde setzte,
gilt dieses eine Gesetz:
Die Freude des Gottlosen ist nicht von Dauer;
sein Glück währt nur für kurze Zeit!
Weißt du das nicht?
Steigt er auch in seinem Stolz bis in den Himmel auf
und reicht er mit dem Kopf bis an die Wolken,
wird er doch für immer vergehen,
genauso wie sein eigener Kot.
Wer diesen Menschen kannte, wird sich fragen:
›Wo ist er nur geblieben?‹
8-9 Er wird spurlos verschwinden wie ein Traum,
verfliegen wie ein flüchtiger Gedanke;
wo er wohnte, wird ihn keiner mehr erblicken.
10 Seine Söhne werden bei den Armen betteln gehen,
weil er sein Hab und Gut zurückerstatten musste.
11 Noch strotzt er vor Kraft,
doch bald wird er im Staube liegen.
12-13 Böses tun ist ihm ein Vergnügen, ein Leckerbissen,
den er sich auf der Zunge zergehen lässt,
den er lange im Mund behält,
um den Geschmack nicht zu verlieren.
14 Doch sobald er ihn verzehrt hat,
wird der Leckerbissen zu Schlangengift.
15 Das unrechte Gut, das er verschlingt,
muss er wieder erbrechen, weil Gott ihn dazu zwingt!
16 Was er so gierig in sich aufsaugt,
stellt sich als Schlangengift heraus;
ein Biss der Viper bringt ihn um.
17 Er wird nicht im Überfluss leben;
Ströme von Milch und Honig fließen nicht für ihn.
18 Was er sich mühevoll erworben hat,
muss er zurückgeben;
er darf es nicht genießen,
an seinem großen Gewinn kann er sich niemals freuen.
19 Denn er unterdrückt und beraubt die Armen;
Häuser, die er selbst nicht baute, reißt er an sich.
20 Seine Habgier, sie kennt keine Grenzen,
doch mit seinen Schätzen wird er nicht entkommen!
21 Nichts ist seiner Fressgier je entgangen,
doch wird sein Wohlstand nur von kurzer Dauer sein.
22 Auf der Höhe seiner Macht wird ihm angst und bange,
das Unglück trifft ihn mit voller Wucht.
23 Soll er sich doch den Bauch vollschlagen!
Irgendwann kommt Gottes Zorn auf ihn herab;
er lässt seine Schläge auf ihn niederregnen.
24 Wenn er dann um sein Leben läuft,
weil er dem Schwert entkommen will,
wird ihn einer mit dem Bogen niederstrecken.
25 Der Bogenschütze zielt auf ihn und schießt:
Ein Pfeil durchbohrt sein Herz
und tritt am Rücken wieder aus;
so stirbt er, voller Angst.
26 Seine angehäuften Schätze hat Gott fürs Unglück aufbewahrt;
ein Feuer wird sie verzehren,
das nicht von Menschenhand entzündet wurde.
Und wer in seinem Zelt noch überlebt,
dem wird es schlecht ergehen.
27 Der Himmel wird seine ganze Schuld enthüllen
und die Erde gegen ihn als Zeuge auftreten.
28 Was er im Laufe seines Lebens erworben hat,
wird in nichts zerrinnen,
wenn Gott in seinem Zorn Gericht hält.
29 Wer sich Gott widersetzt,
hat dieses Ende verdient.
Dieses unheilvolle Erbe hat Gott ihm zugedacht.«

Footnotes

  1. 19,22 Wörtlich: Werdet ihr von meinem Fleisch nicht gesättigt?
  2. 19,25 Wörtlich: er wird sich als Letzter über dem Staub erheben!
  3. 19,26 Oder: Wenn meine Haut so zerfressen ist, werde ich doch in meinem Leib Gott sehen!